Der Limmatraum jenseits des historischen Zentrums Zürichs spielte im vergangenen Jahrhundert eine zentrale Rolle in der urbanen Entwicklung der Stadt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand aus der simultanen Präsenz von Industrie und Erholungsraum entlang des Flusses ein ganz eigener Charme. Mit dem Rückgang der Industrie und dem Wachstum der Stadtbevölkerung hat der Limmatraum als Freizeitraum an Bedeutung gewonnen, der mehr Nischen und einen raueren Charme aufweist als die eleganten Seeufer. Das Kesselhaus bietet nun die Chance an diese Entwicklung anzuknüpfen. Der Einbau einer Schwimmanlage erscheint in diesem Kontext nur folgerichtig.
Auskleidung eines Denkmals
Die Bedeutung öffentlicher Industriegebäude, wie zum Beispiel Kraftwerke, wurde im 19. Jahrhundert durch eine sorgfältige architektonische Gestaltung unterstrichen. Beim Kesselhaus im Stil des Klassizismus, hatte die äussere Erscheinung mehr Gewicht als der Innenraum. Die geplante Schwimmhalle im Kesselhaus bietet die Gelegenheit das Bauwerk zu komplettieren. Der Einbau der Schwimmhalle erfolgt in Holzbauweise, die statisch unabhängig ist und zugleich die Mauern innenseitig schützen. Die bestehenden Fenster werden wieder freigelegt, und die Decke erhält ein textil anmutendes Holztragwerk. Der zweigeschossige Garderobentrakt wird behutsam in das Kesselhaus-Erweiterung integriert und auf eine kompakte Form reduziert. Die grosszügig verglaste Nordostfassade und das Dach mit seiner Stahlkonstruktion werden gegenüber dem Garderobentrakt freigespielt. Der Raum zwischen dem Bestand und den neuen Einbauten wird im Zwischenklima belassen und erlaubt das kulissenhafte Erlebnis des «Haus-im-Haus» Prinzips.
Erhalt und Veränderung
Alle Gebäudeteile des Kesselhauses – der ursprüngliche Bau sowie sämtliche Erweiterungen und Anbauten – bleiben vollständig erhalten. Damit wird nicht nur die baukünstlerische Bedeutung des Kesselhauses gewürdigt, sondern auch eine nachhaltige Nutzung von Ressourcen gewährleistet. Aus städtebaulichen Überlegungen wird auf weitere Erweiterungen verzichtet. Das Raumprogramm, das in einem kompakten „Haus im Haus“ zusammengefasst ist, ermöglicht eine wirtschaftliche Umsetzung. Der Umgang mit dem denkmalgeschützten Gebäude reicht von der behutsamen Bewahrung bis hin zu gezielten Eingriffen, die der neuen Nutzung dienen und ein deutlich sichtbares Zeichen nach aussen setzen.
Szenographie des Alltags
Ein grosszügiger, überdachter Vorplatz mit Sitzgelegenheiten markiert den neuen Ankunftsort im schulischen Alltag der Kinder und des Lehrpersonals. Von hier aus führt der Weg über den bestehenden Mittelrisalit in den Lehrertrakt und den Aufsichtsraum oder seitlich in die Eingangshalle der ehemaligen Erweiterung des Kesselhauses.
Der hohe Raum fungiert als zentraler Ankunftsort, Pufferzone und Sammelpunkt für die gesamte Anlage. Über eine Treppe gelangt man in einen grosszügigen Korridorbereich, ausgestattet mit Sitzbänken und Schuhablagen, von dem aus sich die Garderoben erschliessen. Vom Garderobentrakt im Obergeschoss führt der Weg in die gemeinsame Sequenz aus Dusch- und Föhnräumen, die einen direkten Zugang zur Schwimmhalle bieten. Die Schwimmhalle wird grosszügig mit Tageslicht versorgt, sowohl durch bestehende Fenster an den Längsseiten als auch durch Oberlichter zwischen den Decken-Schalen. Die Deckentragkonstruktion ermöglicht es, die erforderliche lichte Raumhöhe zu erweitern und schafft so ein grosszügiges, luftiges Raumgefühl, das an den räumlichen Charakter des ehemaligen Kesselhauses anknüpft.
Reversibel und CO2-optimiert
Das gesamte Raumprogramm wird innerhalb der bestehenden Gebäudehülle umgesetzt, wobei die Einbauten kompakt gehalten werden, um den Energieverbrauch zu minimieren. Die neuen Räume sind in Holzbauweise konzipiert und flexibel anpassbar sowie rückbaubar. Das Holztragwerk wird vorgefertigt, was die CO₂-Bilanz zusätzlich positiv beeinflusst. Die Decke der Schwimmhalle besteht aus einer etwa 12 Meter spannenden Schalenkonstruktion in Holzbauweise, die sich quer über die Halle erstreckt. Die Form der Schalen setzt sich aus zwei in der Mitte zusammenstossenden Kegelstümpfen zusammen, deren Radien sich vom Zentrum zu den Auflagern hin vergrössern. Das Skelett der Schalen besteht aus Längs- und Querrippen, die beidseitig mit Brettsperrholz beplankt sind. Das Schwimmbecken ist in eine Holzkonstruktion aus Brettsperrholzwänden eingebettet, die durch vertikale Holzschwerter ausgesteift wird. Die "Holzwanne" nimmt den Wasserdruck auf und leitet die Lasten an die Bodenplatte weiter, während die Abdichtung durch eine Chromstahlverkleidung gewährleistet wird.
Einbau Schulschwimmalange Kesselhaus Letten, Projektwettbewerb im selektiven Verfahren, 2024, 3. Preis
ARGE mit Fahrländer Jack Architekten GmbH
Team:
Studio Céline Baumann GmbH
SEFORB s.à r.l.
BWS-Bauphysik
Beck Schwimmbadbau
BSP-Energie GmbH
Blumer-Lehmann AG